Zu viel des Guten

In meinem letzten Beitrag war ich zu dem Schluss gekommen, dass wir manchmal Personen mit Migrationshintergrund schonender behandeln als Alteingesessene und gerade durch dieses an sich positive Verhalten der Rücksichtnahme und Wertschätzung, dazu beitragen, dass deren wahre Integration verhindert wird. Denn nicht nur schlechter behandeln ist anders behandeln. Und wer anders behandelt wird, gehört nicht richtig dazu.

Heute will ich den Blick auf die andere Seite werfen, nämlich darauf, was Personen mit Migrationshintergrund tun, das ihre gefühlte wahre Gleichstellung negativ beeinträchtigt – obwohl auch sie glauben, damit etwas Gutes zu tun.

Dazu gibt es viele Informationen, die sicher zu einem großen Teil auf Vorurteilen beruhen. Deshalb will ich mich auf einen einzigen Aspekt beschränken. Es handelt sich um ein Argument, von dem ich noch nie gelesen habe, obwohl ich in meinem persönlichen Umfeld schon öfter Hinweise dafür erfahren habe.

„Also der benimmt sich ja total daneben! Kann der sich nicht mal besser anpassen!?“ Wenn derartige Aussagen über einen Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufkommen, dann ist meist diese Schlussfolgerung nicht weit: „Da wollen halt die Eltern schon nicht.“

Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass teilweise genau das Gegenteil der Fall ist. Die Eltern wollen sich und ihre Familien nämlich sehr wohl integrieren. Deshalb halten sie ihren Nachwuchs unbewusst dazu an, sich besser zu benehmen als es die Einheimischen tun. Sie bremsen ihre Kinder ein: benimm dich gut. Tu dies nicht. Tu das nicht. Sei immer freundlich. Schlage ja nicht zurück.

Damit zeigen auch sie eine zu starke Rücksichtnahme den Alteingesessenen gegenüber, sind zu vorsichtig. Um nicht negativ aufzufallen, erziehen sie ihre Kids zur höflichen Zurückhaltung und bringen sie damit unbewusst in die unangenehme Situation, ihre eigenen Interessen und Rechte des guten Frieden willens hintanstellen zu müssen.

Ganz ehrlich: Kann es auf Dauer gut gehen, wenn man vor lauter Anpassen, Anpassen, Anpassen ständig kuschen und sich zurückhalten soll, auch wenn man sich im Recht fühlt?

Sobald die lieben Kinder in die Pubertät kommen, schreien sie dann eben auch mal die jahrelang heruntergeschluckten Verteidigungsargumente in unangebrachter Form von der Seele oder prügeln sich die angestauten Aggressionen in unangebrachten Situation vom Leib.

Wir nehmen dann nur das für diese konkrete Situation unangebracht grobe Verhalten wahr und denken kopfschüttelnd: Hä? Da war doch gar nichts? Was soll denn dieses abgefuckte Verhalten? Naja, die wollen sich halt nicht anpassen…

Die Tragik meines Gedankens ist:

Ausgerechnet diejenigen Personen mit Migrationshintergrund, die sich am meisten darum bemühen, sich gut in unsere Gesellschaft zu integrieren, laufen Gefahr, den gleichen Fehler wie die Toleranten auf der anderen Seite zu machen: Sie sind zu rücksichtsvoll und zu vorsichtig. Sie benehmen sich den „Gastgebern“ gegenüber besser – und damit eben anders – als ihren Landsleuten gegenüber.

Tja, und da bin ich schon wieder beim gleichen Punkt angelangt: Anders ist eben auch dann anders, wenn die Motive dafür gut sind.

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*